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1930 - 1932: Der Kampf um die Republik

Wirtschaftskrise und Arbeitsdienst

Im Oktober 1929 begann eine Wirtschaftskrise, welche die Lebensbedingungen der Arbeiter drastisch verschärfte. 1932 waren über sechs Millionen Arbeitslose registriert, dazu kamen mindestens zwei Millionen Menschen, die nicht mehr als arbeitssuchend gemeldet waren. Nur noch ein Drittel der Arbeitswilligen hatte eine Vollzeitstelle. 45 % waren arbeitslos und 22 % von Kurzarbeit betroffen.

Gab es zunächst noch ein halbes Jahr lang Arbeitslosenunterstützung, so wurde im Laufe der Jahre die Auszahlungsdauer in mehreren Stufen auf nur noch sechs Wochen gekürzt. Die Anzahl derer, die Arbeitslosengeld bekamen, sank damit trotz steigender Arbeitslosigkeit. Immer mehr waren auf die niedrigeren Zahlungen der Krisen- und Wohlfahrtsunterstützung angewiesen. Ein großer Teil bekam gar nichts.

Arbeitslose Familien lebten im Elend. Die Unterstützung reichte nicht einmal für eine ausreichende Ernährung. Viele Menschen hungerten und lebten in feuchten Kellerlöchern. Ärzte berichteten über zunehmende Unterernährung und Verwahrlosung von Kindern arbeitsloser Eltern.

Die Menschen, die noch Arbeit hatten, litten unter Überstunden und Arbeitshetze. Sie arbeiteten selbst dann noch, wenn sie krank waren, aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Der Arbeitslohn sank und die Steuern stiegen. Dadurch verloren Arbeiter zwischen 1928 und 1931 rund ein Drittel ihres Einkommens.

Jugendliche waren wieder besonders hart betroffen. Lehrlinge ersetzten im Betrieb oft für billiges Geld erwachsene ausgelernte Arbeiter. Nach der Lehre wurden sie entlassen und neue Lehrlinge eingestellt. Zwei bis drei Millionen junger Menschen zwischen 14 und 25 Jahren waren arbeitslos. Das traf zeitweise mehr als die Hälfte der Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend. Ab 1931 erhielten nur Erwachsene über 21 Jahre eine Arbeitslosenunterstützung. Die arbeitslosen Jugendlichen mussten also von ihrer Familie mit ernährt werden.

Die SAJ verstärkte unter der Bezeichnung „proletarische Selbsthilfe“ die Freizeit- und Bildungsmaßnahmen für die arbeitslosen Mitglieder, die sie schon seit 1926 durchführte.

Die Regierung richtete im Juni 1931 den „Freiwilligen Arbeitsdienst“ FAD ein. Er dauerte 20 Wochen und richtete sich vor allem an jugendliche Arbeitslose. Sie bekamen einen Wohnplatz, wurden verpflegt und erhielten ein kleines Taschengeld. Die Regelungen des Arbeitsrechtes oder des Tarifrechtes galten nicht. Das bedeutete, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehorchen mussten, keine Interessensvertretungen wählen konnten und nicht streiken durften.

Bau eines Badesees im Freiwilligen Arbeitsdienst, 1932Die Teilnehmerzahl stieg im Lauf des Jahres 1932 bis auf knapp 300.000 meist jugendliche Menschen. Die Träger waren vor allem christlich-konservative und deutschnationale Verbände. Sie richteten Lager für die Unterbringung der Teilnehmer ein und konnten sie so ideologisch beeinflussen. Die Verbände hetzten gegen Demokratie und Republik und verbreiteten eine Ideologie der Volksgemeinschaft. Das Dienen am Volk wurde als Ideal gepriesen und alle Klassengegensätze verleugnet.

Die Organisationen der Arbeiterbewegung hielten von dieser Art der Arbeitsbeschaffung nichts und hatten sich früheren Versuchen, ein Pflichtdienstjahr einzuführen, vehement widersetzt. Unmittelbar nach der Einführung des FAD schrieb der Hauptvorstand der SAJ an die SPDReichstagsfraktion, „dass der Arbeitsdienst, in welcher Form er auch zur Einführung gelangt, kein geeignetes Mittel ist, die Not der Arbeitslosigkeit fühlbar zu lindern“ und bat darum, auf seine Beseitigung hinzuwirken.

Vielen Mitgliedern der SAJ blieb jedoch in ihrer Not nichts anderes übrig, als sich am Arbeitsdienst der gegnerischen Verbände zu beteiligen. Um die negative Beeinflussung der Jugendlichen zu verhindern, gründeten die Arbeiterorganisationen im August 1932 dann trotz ihrer grundsätzlichen Bedenken die „Reichsarbeitsgemeinschaft Sozialer Dienst - Hilfswerk der Arbeiterschaft für die erwerbslose Jugend“. Auch die SAJ gehörte ihr an. Die Reichsarbeitsgemeinschaft richtete Lehrwerkstätten ein, führte zusätzlichen Berufsschulunterricht durch und ließ Waren für den Bedarf der Jugendlichen produzieren. Ende 1932 nahmen rund 30.000 Jugendliche an diesen Maßnahmen teil.

Der Terror der Faschisten

Bei den Reichstagswahlen im Juli 1930 gewann die NSDAP 18,3 % der Stimmen und zog mit 107 statt bisher 12 Abgeordneten in den Reichstag ein. Immer mehr Wählerinnen und Wähler der bürgerlichen Parteien liefen zu den Nazis über.

Die Parteien, welche die Republik verteidigten, gerieten in die Minderheit. Außer der SPD zählte nur das katholische Zentrum und zahlenmäßig unbedeutende Parteien dazu. Die Kommunistische Partei strebte ein sozialistisches System nach dem Vorbild der Sowjetunion an. Sie wurde im Verlauf der Wirtschaftskrise stärker und konnte sich auf fast 17 % der Stimmen im Juli 1932 steigern. Auf dem rechten Flügel kämpften neben der NSDAP die Deutschnationale Volkspartei und weitere kleine Parteien gegen die Demokratie.

Nach 1930 konnte keine der politischen Kräfte Mehrheiten im Reichstag hinter sich bringen. Der jeweilige vom Reichspräsidenten Hindenburg eingesetzte Kanzler regierte mit Notverordnungen. Der Reichstag wurde mehrmals aufgelöst und neu gewählt, ohne dass sich an den Mehrheiten etwas grundsätzliches änderte. In Preußen, Bayern und Württemberg fanden hart umkämpfte Landtagswahlen statt, so dass die gesamte Republik ständig unter politischer Spannung stand.

Die Nazis verfolgten mit ihren Terrorgruppen der Sturmabteilung SA die politischen Gegner und sprengten deren Wahlveranstaltungen. Die Polizei konnte oder wollte den Schutz nicht mehr übernehmen. KPD und SPD gründeten daher schon Mitte der 20er Jahre eigene politische Wehrverbände, um ihre Veranstaltungen zu sichern. Jetzt fanden Saal- und Straßenschlachten vor allem zwischen Nazis und Kommunisten statt. Das republikanische „Reichsbanner“ und die „Eiserne Front“ der Arbeiterbewegung waren in der Regel passiver, wurden aber oft in die Kämpfe hineingezogen. Hunderte Tote und tausende Verletzte fielen dem Terror zum Opfer.

Die SAJ war der Gewalt schon früh ausgeliefert. Es gab immer wieder Übergriffe der SA und der Hitlerjugend, bei denen es zu Verletzten und Toten kam. So wurden zum Beispiel am 8. Dezember 1929, dem Tag der Landtagswahl in Thüringen, in Jena fünfzehn SAJler von dreißig Nationalsozialisten überfallen und dabei ein SAJler niedergestochen. Die Sozialistische Arbeiterjugend veranstaltete noch am selben Tag eine Demonstration, in der sie auf den Vorfall aufmerksam machte und die staatlichen Instanzen zum Einschreiten aufforderte. Ähnliche Überfälle ereigneten sich ständig auch an anderen Orten.

Sepp Schober aus München berichtet:

„Dann haben wir die ersten Erlebnisse mit dem Nationalsozialismus gehabt. Da war einmal die Brandstiftung in unserem Jugendheim in der Dom-Pedro-Straße (August 1932).

Ein anderes Erlebnis hatten wir einmal auf einer Pfingstfahrt (1928) zum Tegernsee, da war ich 16. Als wir heimfahren wollten - wir hatten einen roten Falkenwimpel dabei - und in den Zug eingestiegen sind, da gab’s eine Mordsschlägerei, völlig überraschend, und wer war’s, Nationalsozialisten, die damals schon in Wiessee und überhaupt am Tegernsee sich ziemlich wohlgefühlt haben. Auf jeden Fall haben sie uns zusammengeschlagen, ohne erkennbaren Grund, nur aufgrund der Tatsache, dass wir erkenntlich als sozialistische Arbeiterjugend unseren Wimpel und die blauen Hemden mit roten Binden getragen haben. Sie haben uns den Wimpel vom Speer gerissen. (...)

Bei der Sozialistischen Arbeiterjugend haben wir uns gesagt: das ist kein Zustand mehr, die sprengen unsere Versammlungen, terrorisieren und überfallen uns, wenn wir unterwegs sind. Wir müssen uns verteidigen können.

Wir haben damit angefangen, mit Hilfe vom Arbeitersportverein, Judo als Verteidigung zu lernen. Das haben wir dann konsequent durchgeführt und waren dadurch in der Lage, uns zumindest zu verteidigen, wenn wir angefallen worden sind. Und das war oft genug der Fall.

An manchen Sonntagen sind wir geschlossen von unserem Heim noch ein Stück wegmarschiert, haben Wander- und sozialistische Kampflieder gesungen und sind dann überfallen und von diesen Rowdies zusammengeschlagen worden. Das ist eine Sache, die kann man sich heute kaum noch vorstellen, dass man Menschen, die friedlich auf der Straße marschieren, einfach zusammenschlägt. Es war in erster Linie SA, Burschen aus meinem Viertel, die da immer „tätig“ geworden ist. Hitlerjugend hat’s zwar schon gegeben, aber die ist noch nicht so in Erscheinung getreten.

Inzwischen älter geworden, bin ich in die Sozialdemokratische Partei eingetreten. Wenn Groß- Versammlungen waren, dann wurden diese SPD-Versammlungen immer nach demselben Schema zu sprengen versucht. Die Nazis haben sich an bestimmten Ecken gesammelt, und dann sind auf Pfiff und Zuruf die ersten Maßkrüge losgeflogen. Dann haben die Genossen natürlich gesagt, man muss die Versammlungen gegen solche Gewalttäter schützen., Man hat das Reichsbanner ins Leben gerufen. Das war Ende der zwanziger Jahre, vielleicht 1928.

Dann hat man angefangen, innerhalb des Reichsbanners eigene Schutzformationen aufzustellen, die im Selbstschutz und zum Teil auch an Waffen ausgebildet wurden. Und zwar unter der Leitung von Leuten der Landespolizei. Die Landespolizei bei uns in München hat damals größtenteils sozialdemokratisch gewählt.

Von diesen Leuten wurden wir ausgebildet. Diese Ausbildung traf vor allem für den Elitezug 13 zu. In diesem Schufo-Zug war ich einer der Kleinsten und Schwächsten, obwohl ich damals ein guter Allround-Sportler war. Man hat da wirklich die besten Leute von ganz München zusammengesucht. Der politische Gegner, die Nazis natürlich, hat damals im ganzen oberbayerischen Raum, wenn politische Versammlungen gewesen sind, sei es in Murnau, Weilheim oder Traunstein, den SA-Zug „Oberland“ aufgeboten. Das waren ganz rüde Burschen, von der SA, die jede Versammlung gesprengt haben. Es war einfach schlimm. Erst nachdem von uns der Zug 13 gegründet worden ist und das erste Mal in Murnau und Weilheim in Aktion getreten ist, und diese SAler vom Sturm Oberland mal eine anständige Abfuhr erteilt bekommen haben, ist die Sache besser geworden. Also, es hat sich schon gelohnt.“

Die Auseinandersetzung der SAJ mit dem Nationalsozialismus

Die Sozialistische Arbeiterjugend setzte sich intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinander. Als Ursache der Wahlerfolge erkannte man die Wirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit und die Angst der Mittelschichten vor dem sozialen Abstieg.

Gleichzeitig durchschaute der Verband die geschickte Beeinflussung der Massen. Auf die vielen Versprechungen fielen die SAJ-Mitglieder nicht herein. Die Erfolge, die die NSDAP auch unter Arbeiterjugendlichen hatte, erklärte sich die sozialistische Jugendbewegung in deren fehlender Bildung und ungenügender politischer Erziehung.

Demonstration beim Jugendtreffen in Oldenburg, 1930Innerhalb der Sozialistischen Arbeiterjugend gab es zwei gegensätzliche Auffassungen, wie man den Nationalsozialisten entgegentreten sollte. Der eine Flügel wollte sich notfalls auch durch Gewaltanwendung verteidigen. In einigen Gegenden wurden dazu bereits sozialistische Jungordnergruppen aus den Reihen der älteren Jugendlichen gebildet.

Im Gegensatz dazu sah der Hauptvorstand und die Mehrheit des Verbandes die Gefahr der Nazis für die Jugend vor allem darin, dass die jungen Menschen durch die brutalen Methoden der Nazi-Organisationen verwilderten. Dieser Flügel lehnte jede Gewaltanwendung durch die SAJ ab, weil sie die Verrohung der Jugend fördern könnte und forderte die Auflösung der bestehenden SAJSchutztruppen. Gegen die Gewalt der Gegner wollte man mit der „Macht der Ideen“ und der „Eroberung der Gehirne“ bestehen.

Das entscheidende Argument des Hauptvorstands war, dass es Sache der Partei sei, die Abwehr gegen die Nazis zu organisieren. Immerhin rief der Reichsausschuss der SAJ seine Mitglieder auf, im „Jungbanner“ aktiv zu werden. Diese Organisation war die Jugendabteilung der republikanischen Schutzgemeinschaft „Reichsbanner“ und mit seinen sportlichen und wehrsportlichen Übungen sehr attraktiv für die Arbeiterjugendlichen, die konkret etwas gegen die Nazis tun wollten. Die Gruppen des Jungbanners nahmen aktiv an Schutzmaßnahmen gegen SA und Hitlerjugend teil.

Die SAJ unternahm große Anstrengungen, um politisch interessierte Jugendliche zu werben. Weil die Nazis vor allem bei jungen Menschen Erfolg hatten, wurden in den Werbewochen mit dem Motto „Gegen Faschismus und Wirtschaftsnot“ oder „Faschismus droht - her zu uns!“ Gegenpositionen bezogen. Die Jugendlichen verteilten massenhaft Flugblätter und Broschüren, veranstalteten Kundgebungen und politische Revuen.

Als sich ab 1930 Reichstags- und Landtagswahlen häuften, nahmen die Gruppen an einer Vielzahl von Wahlveranstaltungen teil, um die Nazis auf legalem Weg zu bekämpfen. Mit Fahrrad- und LKW-Kolonnen, Flugblatt- und Plakataktionen traten die SAJ-Gruppen besonders aktiv in der Landagitation auf. Ihr Wahlkampf richtete sich vor allem gegen die Nazis, aber auch gegen die Kommunisten, welche die Sozialdemokraten als Sozialfaschisten beschimpften. Bis in die von der NSDAP beherrschten Dörfer wagten sich die Jugendlichen aus der SAJ und den Rote-Falken-Gruppen der Kinderfreunde vor.


Martin Albert aus Nürnberg berichtet:

„Aus dem Jugendchor habe ich mir 1930 Leute für ein politisches Kabarett zusammengesucht, die „Roten Raketen“. Vorbilder gab es in vielen deutschen Städten, wie Berlin, Frankfurt und Stuttgart; führend waren die „Roten Spatzen“ in Leipzig. Wir tauschten gegenseitig Material und Erfahrung aus.

Als zeitgemäßes politisches Ausdrucksmittel wurden die „Roten Raketen“ rasch zu einem Instrument der SPD-Wahlkämpfe. Um auch in kritischen Bezirken die Versammlungssäle drückend voll zu bekommen, waren auf den Plakaten neben der Ankündigung des Redners immer häufiger Aufkleber zu sehen: „Die Roten Raketen kommen“.

Dann hieß es, nach einem langen Arbeitstag, den Lastwagen mit Scheinwerfern, der Stilbühne und allen möglichen Requisiten schnell zu beladen, wir selber mussten auch noch drauf. Und fehlen durfte auch keiner, das galt für die fünf Musiker ebenso wie für die Darsteller und den Beleuchter. Private Interessen konnte es nicht geben und von Bezahlung war keine Rede. Sketches, Gesang und Sprechchor mussten aktuell sein. Die Tagesereignisse waren zu kommentieren und zu glossieren, dafür hatten wir unseren eigenen „Goebbels“. Das Aufspießen der lokalen Nazi-Größen brachte uns stets den größten Erfolg. Wie überall im Kabarett versuchten auch wir, schwer durchschaubare Vorgänge in der Politik durch Übertreibung und Überspitzung sichtbar zu machen.

Natürlich konnten wir nur noch unter dem Schutz des Reichsbanners auftreten. Manchmal warnte uns die Polizei vor auflauernden Nazis, dann mussten wir auf der Heimreise einen Umweg fahren.

Gemeinsam mit dem Jungbanner, der Gewerkschaftsjugend und der Jugend der Arbeitersportvereine gründete die SAJ 1932 die „Junge Front“. Das entsprechende Bündnis der Erwachsenenverbände war die Eiserne Front. In vielen Orten konnten die Arbeiterjugendverbände gemeinsam eindrucksvolle Kundgebungen mit Fackelzügen, Sprechchören und politischen Revuen organisieren. Dieses öffentliche Auftreten brachte der SAJ neue Mitglieder.

Während die Jugend durch diese Auseinandersetzungen immer stärker politisiert wurde, antifaschistisch dachte und handelte, war von der Partei keine Strategie gegen den Faschismus zu erkennen.

Der Übergang zur Nazidiktatur

Der Preußen-Putsch

Die SPD war nach 1930 an keiner Regierung des Deutschen Reiches mehr beteiligt. Für sie nahm daher das bei weitem größte und wichtigste Bundesland Preußen eine zentrale Stelle ein. Hier war die SPD fast während der ganzen Weimarer Republik an der Regierung beteiligt, stellte den Ministerpräsidenten und wichtige Minister. Die Beamtenschaft stand zum größten Teil treu zur Republik. Die Schutzpolizei arbeitete mit dem Reichsbanner zusammen und bildete es aus.

Am 20. Juli 1932 setzte der Reichskanzler von Papen die preußische Regierung ab und ließ sich vom Reichspräsident Hindenburg zum Reichskommissar von Preußen ernennen. Der SPDInnenminister wurde aus seinem Ämtern vertrieben und die Berliner Polizeiführung verhaftet. Mit diesem Schlag beabsichtigte die rechtsradikale Regierung, die letzte Hochburg der Arbeiterbewegung zu zerstören.

Die Massen der Eisernen Front warteten auf den Aufruf zur Gegenwehr. Aber die Führung der SPD scheute davor zurück. Einerseits war es ungewiss, ob man angesichts der hohen Arbeitslosigkeit einen Generalstreik erfolgreich durchführen könnte. Andererseits setzte die SPD prinzipiell auf Wahlen und legale Aktionen, auch wenn die Gegner der Republik längst andere Mittel wählten. Auch jetzt verzichtete sie auf offenen Widerstand und hoffte statt dessen auf den Gewinn der Reichstagswahl am 31. Juli. 1932.

Die Nazis zogen ihre eigenen Schlüsse: „Man muss den Roten nur die Zähne zeigen, dann kuschen sie“, schrieb Reichspropagandaleiter Goebbels am 21. Juli in sein Tagebuch. Die Rechnung der SPD scheiterte kläglich: sie verlor weiter an Stimmen und kam nur noch auf 21,6 %, während die NSDAP ihren Anteil auf über 37 % verdoppelte und dadurch mehr Abgeordnete hatte als SPD und KPD zusammen.

Von den Nazis ermordetes Jungbannermitglied, 1932Gerade die jugendlichen Sozialdemokraten waren bereit zum Widerstand. Viele kamen zu der Erkenntnis, dass die entscheidende Schlacht verloren war, ohne dass eine Gegenwehr stattgefunden hatte. Die Kontrolle des Reichs über Preußen, vor allem über die preußische Polizei, erleichterte es Adolf Hitler 1933 tatsächlich erheblich, eine Diktatur zu errichten. Während der SAJ-Vorsitzende Erich Ollenhauer wie üblich die Entscheidungen des Parteivorstands verteidigte, begannen einige Gruppen, sich auf die illegale Arbeit vorzubereiten.

Die Berliner SAJ ging einen radikalen Weg. Nach der Ermordung von zwei Sozialdemokraten in der Silvesternacht 1931 gründete sie einen eigenen Jungordnerdienst, übte sich im Pistolenschießen und versuchte, sich Waffen zu besorgen. Gemeinsam mit dem Jugendverband der Kommunistischen Partei bildete die Berliner SAJ eine antifaschistische Aktionsgruppe, welche die Jugendlichen nach den Gruppenabenden nach Hause begleitete und vor Nazi-Überfällen schützte. Viele SAJ-Funktionäre schlossen sich der Gruppe „Neu Beginnen“ an, die seit etwa 1929 versuchte, die politische Zusammenarbeit zwischen KPD und SPD zu fördern und die Gefahr durch den Nationalsozialismus sehr genau erkannte.

Ende 1932 versuchte auch der SAJ-Hauptvorstand, die Kämpfe mit dem Kommunistischen Jugendverband einzustellen, um sich gemeinsam gegen die Nazis zu wehren. Dazu kam es jedoch nicht mehr.

Zurück in die Normalität

Unter den ständigen Kämpfen litt das Leben der Organisation. Die gewünschte und geplante Erziehungsarbeit wurde unmöglich. Spiel und Sport trat in den Hintergrund. Ein Bericht aus Hessen im Jahr 1931 erwähnte, dass die Falken endlich wieder wandern wollten.

In den Reichstagswahlen vom 6. November 1932 ging der Stimmenanteil der NSDAP zurück. Das nahm der Hauptvorstand der SAJ zum Anlass für Entwarnung. Er wollte nun die Erziehungsarbeit wieder in den Vordergrund rücken: „Durch die starke politische Aktivität des vergangenen Jahres ist die Erziehungsarbeit stark vernachlässigt worden. Wir wollen im neuen Jahr das Versäumte systematisch nachholen“, erläuterte der Vorstand im Januar 1933 in der Zeitung „Arbeiterjugend“. Für 1933 wurde ein Programm aufgestellt mit den Vierteljahresmotti: „Die Rote Jugend rüstet“ (gemeint war geistiges Rüstzeug anlässlich des 50. Todestages von Karl Marx) „- Die Rote Jugend greift an - Die Rote Jugend baut auf - Die Rote Jugend im Dienst für den Sozialismus“.

Zur selben Zeit wurden Mitglieder der SAJ und anderer Jugendorganisationen von der SA und der Hitlerjugend verletzt und ermordet. Die Sozialistische Arbeiterjugend blieb jedoch bei ihrer Linie: Sie bewertete die brutalen Kämpfe der Nazis als „Kulturreaktion“, der die Arbeiterjugendbewegung „die Wirklichkeit sozialistischen Gemeinschaftslebens und sozialistischer Lebensgestaltung eindeutig und klar entgegenstellen“ sollte. Das war eine völlige Fehleinschätzung der Situation. Allerdings war eine andere Haltung nicht zu erwarten, so lange die SPD dabei blieb, nur gewaltlos und legal gegen den Nazi-Terror vorzugehen.

Die Hitlerjugend wurde organisatorisch immer stärker. Sie feierte im Oktober 1932 in Potsdam ihren ersten Reichsjugendtag mit rund 80.000 Jugendlichen, vier Mal so viele wie die SAJ ein Jahr zuvor nach Frankfurt mobilisieren konnte. Im Januar 1933 übertraf sie mit 55.000 Mitgliedern die Zahlen der SAJ und wuchs weiter.

Die Kinderfreunde

Die Arbeit der Kinderfreunde litt unter der wachsenden Gewalt. Viele Eltern schreckten davor zurück, ihre Kinder in die Gruppen zu schicken, weil sie mit Überfällen der Nazis rechnen mussten. Einige Gruppen der Kinderfreunde stellten bereits Ende 1932 die Arbeit ein.

Gleichzeitig führten mehrere Ortsgruppen und Bezirke große Werbeveranstaltungen für die Kinderfreunde durch. Die Reichsleitung beschloss, im Jahr 1933 die Helferschulung verstärken und gab die Parole „Erobert das Land!“ aus, um Ortsgruppen auch in Kleinstädten und Dörfern zu gründen. Bis in den Februar 1933 hinein wurde der Aufbau der Organisation betrieben und Helferschulungen durchgeführt.

Ende 1932 forderte der Vorsitzende Kurt Löwenstein: „Sozialismus ist keine Schwärmerei, sondern Bereitschaft zum Kampf wie zum Aufbau. In einer Zeit, wo der Terror droht, muss der Terror erledigt werden. Die Arbeiterklasse kann einer vorübergehenden Gewalt ausweichen, der systematischen Gewaltwillkür wird sie ihre organisierte Gewalt entgegensetzen müssen.“

Mit ihren eigenen Falkengruppen konnten die Kinderfreunde dem Terror jedoch nichts entgegensetzen. Dazu waren die Mitglieder zu jung. Die Helferinnen und Helfer nahmen aber als Mitglieder der SAJ oder der SPD an den Aktivitäten dieser Organisationen teil.