Seit siebzig Jahren haben wir die Schnauze voll!
Grußwort von Immanuel Benz
Liebe Genoss*innen,
es ist mir eine Freude mit diesem Grußwort dem Ortsverband Hof der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken
zum 70jährigen Geburtstag gratulieren zu dürfen. In diesen Jahren feiern viele unserer Ortsgliederungen, die mehr oder weniger direkt nach Ende des 2. Weltkriegs und der Herrschaft des Nationalsozialsozialismus gegründet wurden, diesen runden Geburtstag. Dennoch ist das kontinuierliche Bestehen über einen solchen Zeitraum keineswegs eine Selbstverständlichkeit – erst recht nicht für einen auf ehrenamtlicher Selbstorganisation fußenden Kinder- und Jugendverband. Erst recht nicht, wenn dieser sich auch noch sozialistisch nennt und es auch im 21. Jahrhundert immer noch ernst meint mit der radikalen Kapitalismuskritik.
Insofern sind 70 Jahre OV Hof ein prächtiger Grund zum Feiern. Eine Festschrift ist dabei ein guter Weg, Erinnerungen festzuhalten – insbesondere an die vielen Menschen, die mit ihrer politischen Überzeugung, ihrer pädagogischen Arbeit und ihrem ehrenamtlichen Engagement den Ortsverband und dessen bewegte Geschichte über die Jahrzehnte hinweg gestaltet haben.
Vor 70 Jahren erfolgte die Gründung oder vielmehr Wiedergründung als – wie Roland Gröschel es treffend beschreibt – Aufbruch in Trümmern. Seitdem hat sich vieles geändert. Dabei bedeuten die Entwicklungen der bürgerlichen Gesellschaft stets auch veränderte Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für unsere sozialistische Jugendarbeit. Der Kapitalismus hat sich ebenfalls beständig verändert. Nach der Befreiung des Faschismus standen die Zeichen auf „sozialer Marktwirtschaft“. Seit dem Zusammenbruch des so genannten Realsozialismus in Osteuropa regiert die marktradikale Ideologie und deren vermeintliche Alternativlosigkeit. Die Entwicklungen der letzten Jahre standen ganz im Zeichen der Krise. Dabei ist es unsere Aufgabe als Sozialistische Jugend nach jahrzehntelanger Hegemonie neoliberaler Dogmen vor den konkreten Erfahrungen der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus für einen Umbruch im gesellschaftlichen Denken zu sorgen. Für uns ist Sozialismus nicht nur eine Zukunftsaufgabe. Im täglichen Erleben bei den Falken, in der Gruppe, im Seminar, in der offenen Tür und selbstverständlich im Zeltlager organisieren sich junge Menschen für ihre Interessen. Gemeinsam durchbrechen wir mit unserem Denken und Handeln die kapitalistische Logik. Wir erobern uns selbstbestimmte Freiräume und versuchen darin schon heute, die Vorstellung einer demokratisch-sozialistischen Gesellschaft vorwegzunehmen
Denn vieles hat sich geändert – doch eines hat Bestand: Wir haben die Schnauze voll. Seit mindestens 70 Jahren haben wir die Schnauze voll von Herrschaft und Ausbeutung, von Repression und Passivität, die Schnauze voll von Rassismus und Sexismus, von Homophobie und Heteronormativität, von Nation, Staat und Militär. Weil das so ist, hat sich auch etwas anderes nicht geändert: In dieser Welt in der wir leben, werden wir Falken gebraucht und machen mit unserer sozialistischen Erziehung einen Unterschied. Es kommt für uns darauf an, für die eigenen Interessen und Ideen zu kämpfen. Notfalls auch die nächsten 70 Jahre – in Hof und überall!
Mit sozialistischen Grüßen
Freundschaft!
Immanuel Benz
(Bundesvorsitzender)