Logo Zeile 1000

SPD-Geschichte: Als die Falken fliegen lernten

Gruendung der FalkenThomas Horsmann • 27. April 2016
Artikel erschien im "Vorwärts", Ausgabe: April / Mai 2016

Im April 1946 wird der Grundstein gelegt: „Die Falken“ werden zur Nachfolgeorganisation der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und der Kinderfreunde.

Am Wochenende vom 26. bis 28. April 1946 wird der erste Schritt zum Wiederaufbau einer sozialdemokratischen Jugendorganisation in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht: Da treffen sich in Bayern ehemalige Funktionäre der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde, einer früheren Gliederung der SPD. Eingeladen hat ihr letzter Geschäftsführer Hans Weinberger, um ein politikfernes Programm für eine neue sozialistische Erziehungsbewegung zu erarbeiten. Im April 1946 wird nun ein entsprechender „Arbeitsausschuss“ gegründet.

Erich Ollenhauer plant „Die Falken“

In Frankfurt hat sich kurz zuvor, am 23. April, Erich Ollenhauer, mit sozialdemokratischen Jugendfunktionären getroffen. Der enge Mitarbeiter von Kurt Schumacher in Hannover war letzter Vorsitzender der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). Bei dem Frankfurter Treffen war es vor allem darum gegangen, ob ein neuer sozialdemokratischer Jugendverband auch einen Kinderbereich umfassen sollte.

Tatsächlich hat die Aufbauarbeit, die zur „Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken“ führen soll, im zerstörten Nachkriegsdeutschland längst begonnen. Direkt nach der Befreiung 1945 entstehen unabhängig voneinander und spontan zahlreiche neue sozialistische Jugendgruppen. Organisiert werden sie vor allem von ehemaligen Mitgliedern und Funktionären der SAJ und der Kinderfreunde.

Alliierte wollen parteiungebundene Jugendgruppen

Doch von den Alliierten werden politische Organisationen noch nicht zugelassen. Chancen auf Genehmigung haben allenfalls unpolitische, parteiungebundene Gruppen, die sich auf sozialistischer Grundlage kultureller Jugendarbeit widmen wollen.

Auf dem ersten Nachkriegsparteitag der SPD Anfang Mai 1946 in Hannover wird bestätigt, dass die „jungsozialistische Arbeit fast überall bereits in Angriff genommen worden ist“. Der Antrag eine „Organisation Jungsozialistischer Arbeitsgemeinschaften“ zu schaffen, wird mit großer Mehrheit angenommen. Zudem wird der Parteivorstand beauftragt, ein Delegiertentreffen zu organisieren. Noch im selben Monat bringt Ollenhauer den ehemaligen SAJ-Sekretär Erich Lindstaedt dazu, aus dem schwedischen Exil zurückzukehren, um beim Aufbau der Jugendorganisation der Partei zu helfen. Lindstaedt strebt im Gegensatz zu Weinberger eine aktive Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen im vorparlamentarischen Raum an.

Jugendkonferenz in Nürnberg

Die erste SPD-Jugendkonferenz wird vom Parteivorstand für das Wochenende, 26. bis 28. Juli 1946, nach Nürnberg einberufen. Hier wird eine unabhängige, einheitliche sozialistische Kinder- und Jugendorganisation als Nachfolgeorganisation der SAJ und der Kinderfreunde gegründet. Die provisorische Verbandsführung übernimmt ein „Zentraler Arbeitsausschuss“ mit Weinberger an der Spitze.

Der Altersbereich soll von sechs bis 20 Jahre reichen. Ziel ist es Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu freien Menschen zu bilden und vor geistiger sowie körperlicher Verwahrlosung zu bewahren. Gleichzeitig soll ihnen die Idee des Sozialismus nahegebracht werden. Sie sollen zu sozialistischer Tätigkeit, kameradschaftlicher Hilfe und Verantwortungsfreudigkeit erzogen werden. Die Gliederung sieht so aus: sechs bis zehn Jahre Nestfalken, zehn bis 12 Jahre Jungfalken, 12 bis 14 Jahre Wanderfalken, 14 bis 17 Jahre Sturmfalken, 17 bis 20 Jahre Rote Falken. Mit dem Begriff „Falken“ beruft man sich auf die Tradition bei SAJ und Kinderfreunden aus den 1920er Jahren. Damals nannten sich die älteren Gruppen der Kinderfreunde so, die jüngeren SAJ-Mitglieder hießen Rote Falken.

Aktive Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen

Ein Jahr später, am 6./7. April 1947, findet die erste Verbandskonferenz der Falken in Bad Homburg statt. Weinberger und Lindstaedt werden zu gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt. Doch letztlich setzt sich Lindstaedts Vorstellung einer aktiven Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen durch.